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1. Neuere Geschichte - S. 30

1895 - Leipzig : Reisland
— 30 — einschreiben und arbeitete mehrere Monate als Zimmermann auf den Werften. Er bewohnte ein kleines Häuschen, das noch jetzt gezeigt wird, und legte die Kleidung eines Schiffszimmermanns an. Im Winter nahm er in Amsterdam viele Handwerker und Künstler in seine Dienste und schickte sie nach Rußland. Darauf ging er nach England, wo ihm der König Wilhelm Iii. eine außerordentliche Freude machte, indem er ihm ein Seetreffen vorstellen ließ. „Wäre ich nicht Zar von Rußland," rief er aus, „so möchte ich ein englischer Admiral seilt." Von England ging er zurück nach Holland, und von hier über Dresden nach Wien. Eben wollte er nach Italien gehen, als die Nachricht kam, die Strelitzen hätten sich wieder empört. Er mußte seinen Reiseplan aufgeben. Voll Ingrimm kehrte Peter nach Moskau zurück. Auf der Reise durch Polen besuchte er König August Ii. Dieser gab ihm eine Probe seiner Stärke, indem er einem Ochsen mit einem Säbelhiebe den Kopf herunterschlug. Peter bat sich den Säbel aus, um damit Russenköpfe herunterzuschlagen. Bei seiner Ankunft fand er die Empörung schon gedämpft. Ein furchtbares Gericht erging über die Schuldigem Sie alle bezahlten ihre That mit dem Leben. Mehrere Wochen dauerten die Hinrichtungen. Peter schlug selbst mit eigner Hand fünf Verbrechern die Köpfe herunter und ließ vor dem Fenster seiner Schwester Sophie, die man als die Urheberin dieser Verschwörung bezeichnete, 30 Galgen errichten und 130 Schuldige daran aufknüpfen, so daß jene bis an ihren Tod (1704) die modernden Leichname vor Augen hatte. Das Korps der Strelitzen wurde darauf völlig aufgelöst. Nun ging Peter daran, sein Reich nach dem Muster des Auslandes zu vervollkommnen. Seine erste Sorge war, das Heer und die Flotte zu vermehren. Dann legte er Schulen an, gründete Manufakturen und ließ die sibirischen Bergwerke aubaueu. Die rohen Sitten der Russen wurden immer mehr unterdrückt und statt der laugeu russischen Kleidung die deutsche Tracht eingeführt. An den Thoren wurden Musterkleider aufgehängt. Auch die Bärte verbot er. Äber Peter strebte noch weiter. Er gedachte sein Reich bis an die Ostsee auszudehnen. Noch aber schloß ihn Schweden durch Jngermauland, Esthland, Karelen, Finnland und Livland von dem Mitbesitz der Ostfee aus. Ein Krieg mit dieser Macht schien ihm daher notwendig, und die gleichzeitigen Verhältnisse waren günstig, indem der minderjährige Karl Xii. den schwedischen Thron bestieg. Noch im Jahre 1699 schloß daher Peter mit Friedrich Iv., König von Dänemark, und

2. Von der französischen Staatsumwälzung bis zur Gegenwart - S. 57

1914 - Düsseldorf : Schwann
57 der Nacht bleiben durfte, hatten den Bau betrieben, um regelmig in Frth nchtigen zu knnen. Die Eisenbahn hatte erst manche Vor-urteile zu berwinden; die bayrische Medizinalbehrde verlangte z. B. die Abschlieung der Bahndmme durch hohe Bretterzune, damit der Anblick des eilenden Zuges die Zuschauer nicht schwindlig mache. Als erste grere Bahn folgte 1839 die Linie Leipzig-Dresden, und fast gleichzeitig erhielt Preußen den ersten Schienenweg zwischen Berlin und Potsdam. Bis 1850 gab es in Deutschland schon 4000 km Bahnstrecke; gegenwrtig betrgt die Gesamtlnge der deutschen Linien gar 62 000 km. 38 000 km entfallen davon auf Preußen. Und die gesamten Eisenbahnen der Erde erreichen an Lnge ungefhr ihren fnfundzwanzigfachen Umfang am quator. Eine ungeheure Entwicklung! Der Verkehr ist in der ganzen Welt durch die Eisenbahnen von Grund aus umgestaltet worden, und vor der Bedeutung, die ihre Einfhrung fr das Vlkerleben hat, treten alle politischen Ereignisse des neunzehnten Jahrhunderts weit zurck. Welche Bedeutung hat die Eisenbahn fr den Personen- und Gter^ verkehr? fr Stadt und Land? fr Volksernhrung und Krieg? Welche besondere Rolle spielte sie fr Preußen und die deutsche Einigung? 76, Der Telegraph. Eine vlkerverbindende Erfindung war auch die des elektrischen Telegraphen (= Fernschreiber). Er wurde 1833 von den Gttinger Professoren G a u und Weber erfun-den. Die beiden Gelehrten verbanden zuerst durch einen sast 1 km langen Leitungsdraht das physikalische Kabinett und die Stern-warte ihrer Universitt. Der Amerikaner Morse vervollkommnete die Erfindung durch den noch gebruchlichen Schreibapparat. Schon vor der Mitte des Jahrhunderts war der Telegraph allgemeiner ver-breitet; 1866 wurde das erste Kabel", d. h. Strang, durch den Ozean nach Amerika gelegt, und heute umspannt der elektrische Draht den ganzen Erdball. In neuerer Zeit gewinnt neben dem Telegraphen das Tele-p h 6 n (Fernsprecher), das im Jahre 1851 der Lehrer Reis in Gelnhausen erfand, im Verkehrsleben eine immer grere Be-deutung. Welche Rolle spielen Telegraph und Telephon im Privatleben, bei Unglcksfllen, fr Handel und Eisenbahnbetrieb, Zeitungswesen, Polizei und Gericht, vor allem im Kriege? Was versteht man unter dem frher gebruchlichen optischen Telegraphen? Was ist drahtlose Telegraphie?

3. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 218

1910 - Berlin : Singer
— 218 — insinuieren. Dieser Pfiffigkeit war Bismarck reichlich gewachsen. Seitdem seine Verhandlungen mit Bennigsen gescheitert waren, lag er auf der Lauer, um die Gelegenheit abzupassen für einen Handstreich nach Art der bonapartistischen Plebiszite, für irgendeinen Schrecken, unter dessen verblüffendem und verwirrendem Eindruck er eine gefügige Neichstagsmehrheit zusammentrommeln könne. Diese Gelegenheit bot sich ihm, als der Klempnergeselle Hödel am 11. Mai 1878 Unter den Linden in Berlin beim Vorbeifahren des Kaisers eine Pistole abfeuerte, die sich von wirklichen Mordwerkzeugen durch die seltene, aber harmlose Eigenschaft unterschied, daß sie um die Ecke schoß: nach dem vereidigten Sachverständigengutachten eines Hofbüchsenmachers auf neun Schritt einen Fuß zu hoch und ebenso viel nach links. Auf die telegraphische Nachricht von dem beiläufigen Zwischenfall, dessen historische Bedeutung genügend erschöpft gewesen wäre, wenn ihn der Polizeibericht der Zeitungen mit drei Zeilen erwähnt hätte, sandte Bismarck aus Friedrichsruh die telegraphische Antwort: Ausnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie. Statt die staatsmännische Forderung für einen schlechten Witz zu erklären, der übel genug zu der immerhin doch traurigen Tatsache stimmte, daß Hödel ein Opfer der kapitalistischen Wirtschaft war, das durch feine kuriose Schießerei die öffentliche Aufmerksamkeit auf sein intellektuelles, moralisches und physisches Elend lenken wollte, gefiel sich der gesamte Liberalismus darin, diesen kümmerlichen Keim eines kümmerlichen Humbugs zu fröhlichem Gedeihen zu bringen. Alle liberalen Blätter jubelten halb über die „wunderbare Rettung" des Kaisers, halb gefielen sie sich in tiefsinnigen Betrachtungen darüber, daß Hödels verdorbene Schlüsselbüchse beinahe „der Weltgeschichte eine andere Wendung" gegeben haben würde. „Wunderbar" war jedoch nur die Selbstverleugnung, womit sie sich beeiferten, der „Weltgeschichte" diejenige „Wendung" zu geben, die Bismarck ihnen zum Verderben betrieb. Die Liberalen wußten sehr gut, daß dies angebliche Attentat im schlimmsten Falle, wie Bennigsen selbst einmal sagte, der „Dummejungenstreich eines nichtsnutzigen, jugendlichen Subjektes" war: sie wußten ganz genau, daß Bismarck in erster Reihe darauf hinauswollte, sie selbst an die Wand zu drücken; sie konnten mit einem bescheidenen Maße von Energie und Verstand die Kreise zerstören, die er um sie zog, aber gleichwohl stimmten sie über die Hödelei den Höllen-

4. Neuere und neueste Geschichte - S. 1

1887 - Leipzig : Siegismund & Volkening
ou,C Elimellmw. L *J & Vorträge. Abhandlungen ac. für Erziehung und Unterricht. 109. Heft. (Zehnte keihe, U Heft.) i Erzählungen aus der Weltgeschichte. Bon H. Damm. Zweites Ländchen: Wertere und neueste Geschichte. Zweite verbesserte' und durch Holzschnitte ergänzte Auflage. Leipzig, Verlag von Hiegismund & Volkening. Buchhandlung für pädagogische Litteratur. Dieses Heft bildet das 109. Heft der pädagogischen Sayimelmappe. die m Reihen zu 12 Heften für 6 Mark abgegeben wird- . Von der zehnten Reihe find erschienen: n 109. Erzählungen aus der Weltgeschichte. 2. Bndchn. Von Damm. 70 Breis 70 Pf., gebunden 95 Pf.

5. Bd. 11 - S. 312

1846 - Braunschweig : Westermann
310 Erstes Hauptstück. die einmal erworben wären, zu stören, daß sie vielmehr einen Jeden annehmen wolle, der sich ihr anschließen und sie in der strengen Beobachtung der con- stitutioncllcn Charte unterstützen werde, daß sic aber auch hoffe, diejenigen, die von dieser unabänderlichen Linie abwichen, würden wenigstens den Muth haben, ihr Unrecht offen zu bekennen. Diese Versicherungen aus dem Munde eines Mannes, der während seiner ganzen parlcmcntarischcn Lausbahn stets auf die gewaltsamsten Maßregeln gedrungen hatte, wurden nur als ein über- müthiger Hohn aufgenommen und steigerten die allgemeine Erbitterung, statt sie zu versöhnen. Unglücklicher Weise widersprachen den friedlichen Zusiche- rungen der Minister die Aeußerungen ihrer Anhänger, die in Journalaufsätzen und Flugschriften die Ansicht verfochten, daß der König durch die Verfassung nicht gebunden sey, sondern, so wie diese ein Ausfluß der königlichen Gewalt gewesen wäre, auch das Recht habe, sic erforderlichen Falles nach den Be- dürfnissen des Königthumes und der Ordnung umzugestalten. Daß das Mi- nisterium in der Abgeordnetenkammer die zur Leitung der öffentlichen Ange- legenheiten erforderliche Mehrheit finden sollte, konnte Niemand für möglich halten, der mit dem Geiste dieser Versanimlung einigermaßen bekannt war. Es lag daher nahe, daß man voraussetzte: die Minister würden, sobald sie sich überzeugt hätten, daß sic mit der Kammer nicht zu regieren vermöch- ten, sich über dieselbe hinwegsetzen und den Versuch machen, ohne die Kammer zu regieren. Sofern sic sich zu diesem Wagestücke entschlossen, mußten sic aber auch Steuern erheben, die von der Kammer nicht bewilligt waren; und da dieser nach der Verfassung das Recht der Steuerbewilligung zustand, so waren alle Auflagen, die ohne ihre Bewilligung ausgeschrieben wurden, gesetzwidrige, die Niemand zu zahlen auf gesetzlichem Weg? angehal- ten werden konnte. Das einfachste Mittel, die willkürliche Gewalt der Mi- nister zu brechen, war daher, wenn ganz Frankreich sich weigerte, die nicht auf verfassungsmäßige Weise vcrwilligtcn Steuern zu entrichten. Dieser Gedanke, der zuerst von dem Journal des Debats hingeworfen war, wurde sogleich von den liberalen Blättern aufgenommen und nach allen Seiten erörtert. Der Saame fiel auf einen fruchtbaren Boden. Zuerst trat in der kleinen Stadt Pontivy in der alten Bretagne, deren Bewohner von je her durch ihren Starrsinn bekannt waren, ein Verein zusammen, dessen Mitglieder sich gegenseitig verpflichteten, aus gemeinschaftlichen Mitteln die Kosten der Pfän- dungen aufzubringen, denen man sich durch die Verweigerung gesetzwidriger

6. Bd. 11 - S. 328

1846 - Braunschweig : Westermann
326 Erstes Hauptstück. üben können. Zwischen den beiden großen Parteien, die einander offen die Stirn boten, in der Mitte schwankte unschlüssig ein schwaches Häuslein, welches dem Herrn von Martignac auch nach seinem Sturze treu geblieben war, und daß sich jetzt, gleich seinem Führer, weder entschließen konnte, mit den Liberalen noch mit den Ultraroyalisten gemeinschaftliche Sache zu machen. Von dieser Mittclpartei — wenn man. die Vereinigung weniger Personen, die bei einem entscheidenden politischen Kampfe sich selbst von der Theilnahme ausschließen, so nennen kann — ging ein Vorschlag aus, der zum Zwecke batte, zwar nicht den Inhalt, aber doch die äußere Form der Adresse so weit zu mildern, daß dieselbe die Gefühle des Königs wenigstens nicht allzu em- pfindlich verletzt hätte. Vergebliches Bemühen! Der Einzige Erfolg, den dieser Versuch der Versöhnung hatte, war, daß beide Seiten der Kammer denselben mit gleicher Bestimmtheit zurückwiesen. Guizot, der, vor Kurzem erst an die Stelle eines ausgeschiedenen Mitgliedes in die Kammer gewählt, bei dieser Gelegenheit zum ersten Male das Wort ergriff, drang darauf, daß die Kraft der Adresse nicht geschwächt werde: „Die Freimüthigkeit unserer Worte," sagte er, „ist die einzige Mahnung, welche die Gewalt von uns er- halten, die einzige Stinime, die sich bis zu ihr erheben und ihre Täuschungen zerstreuen kann." — „Was liegt daran," rief auf der andern Seite der Ad- vocat Berryer aus, der gleichfalls zum ersten Male in der Kammer auftrat, daß Ihre Adresse mit Versicherungen der Hingebung, der Achtung und der Liebe angefüllt ist, wenn sie die Rechte des Königs verletzt, wenn sie die Krone mißhandelt? Dieser traurige Gegensatz kann keine andere Wirkung hervorbringen, als daß er unsere Gedanken in Zeiten einer beklagenswcrthen Erinnerung zurückversetzt, daß er uns zurückruft, auf welchem Wege ein un- glücklicher König, mitten unter den Schwüren des Gehorsams und den Be- theuerungen der Liebe, dahin gebracht wurde, den Scepter, den er aus den Handen fallen ließ, gegen die Palme des Märtyrers zu vertauschen." Die Adresse wurde, als cs zur Abstimmung kam, in unveränderter Gestalt, durch 221 Stimmen gegen 181 angennommen. Der Würfel war gefallen. Es blieb dem Könige keine andere Wahl, als entweder der Mehrheit, die sich in der Kammer ausgesprochen hatte, nachzu- geben, oder die Kammer aufzulösen, um durch neue Wahlen diese Mehrheit, wo möglich, zu brechen. Zur Nachgiebigkeit konnte Karlx. sich nicht ent- schließen, weil er darin seine Abdankung gesehen hätte. Er war auf das

7. Bd. 11 - S. 435

1846 - Braunschweig : Westermann
433 Das Bürgerkönigthum. Unterschied des Herkommens offen; und wie eifrig der Herzog es sich auch angelegen seyn ließ, dem Könige seine unverbrüchliche Ergebenheit zu be- zeugen, so wußte doch Jedermann, daß die auf Zurückführung des alten Zustandes der Dinge vor der Revolution gerichteten Maßregeln der Negierung bei ihm keine Billigung fanden. Karl X. ließ diese Art stillschweigender Opposition sich gefallen, ohne großes Gewicht darauf zu legen. Er selbst verschmähte es keinesweges, sich um die Volksgunst zu bewerben, wenn sich dazu ein Mittel bot, welches we- der seinen Stolz noch seinen Grundsätzen zuwider war; und er verzieh cs daher auch einem Prinzen vom Geblüte, wenn er sah, daß dieser auf seine Art danach strebte, sich beim Volke beliebt zu machen. Da er keine Ahnung von der Schwäche der Stützen hatte, auf denen seine Macht beruhte, so konnte er auch nicht daran glauben, daß dem Benehmen des Herzogs von Orleans ein Plan zum Grunde lag, der gerade auf die Voraussetzung jener Schwäche berechnet war. Der Herzog seinerseits war weit davon entfernt, ein falsches Spiel zu spielen; er beging keine Untreue gegen den König, wenn er einer Regierung keine allzu lange Dauer zutraute, die von einem Geiste durchdrungen war, welcher beinahe in allen seinen Richtungen' dem Geiste der Nation mit ausgesprochener Feindseligkeit entgegentrat. Er wies alle Aufforderungen zurück, die voreiliger Eifer an ihn richtete, sich mit den Gegnern des Königshauses zu dessen Sturze zu verbinden; aber er hatte keine Neigung, um fremder Thorheiten willen Frankreich noch einmal zu ver- lassen und im hohen Alter die Irrfahrten seiner Jugend von neuem zu be- ginnen; und er hielt es deshalb der Klugheit angemessen, nichts zu versäu- men, um sich mit der Volkspartei, deren Sieg er vorherfah, auf einen guten Fuß zu stellen. Ihm einen Vorwurf daraus zu machen, daß er die Ver- hältniße richtig beurtheilte, wie von den Royalisten nicht selten geschah, war eine der vielen Albernheiten, an denen die Höflinge Karls X. einen uner- schöpflichen Reichthum besaßen. Es war im Maimonate 1830, als der König von Neapel mit seiner Gemahlin eine Reise nach Frankreich machte, um das verwandte Königshaus zu besuchen, mit dem er in engere Beziehungen getreten war, seit die selbst- ständige Haltung, welche das französische Cabinet gegen außen behauptete, ihm Hoffnung gab, durch die Herstellung des alten Familienbundes der Bour- bonen der lästigen Bande entledigt zu werden, welche der österreichische Schutz v. Retteck, allg. Gcsch. Xi. Hermes' Suppt. Ii. . 28

8. Bd. 11 - S. 439

1846 - Braunschweig : Westermann
437 Das Bürgerkönigthum. auf keine Weise gebilligt haben. Aber der Gedanke war ausgesprochen, und der König konnte in der nächsten Stunde umgestimmt werden. Als am 30. die Erklärung der Abgeordnetenvcreinigung nach dem Pa- lais Royal gebracht wurde, hatte der Herzog sein Versteck noch nicht ver- lassen. Der Haushofmeister äußerte Zweifel, ob er in Ncuilly zu finden seyn würde. General Sebastiani faßte daher ein Schreiben ab, welches er einem Diener übergab, der sich anheischig machte, in zwei Stunden eine Antwort zu überbringen. In der That ließ diese nicht lange auf sich war- ten; sic war aber sehr ungenügend, denn der Herzog beschränkte sich daraus, sagen zu lassen, daß er den andern Morgen nach Paris kommen wolle. Laf- fitte schrieb sogleich ein kurzes Billet an den Herzog, worin er sagte, daß derselbe nicht morgen, sondern auf der Stelle kommen müsse, da kein Augen- blick zu verlieren sey. Ans diese dringende Mahnung begab sich der Her- zog noch denselben Abend in bürgerlicher Tracht und zu Fuß, von einem einzigen Adjutanten begleitet, nach Paris und ließ sogleich Lassitte, dem Für- sten von Talleyrand und wenigen seiner Vertrauten seine Ankunft melden. Der Fürst von Talleyrand war vor wenigen Tagen von einer Badereise nach Paris zurückgekehrt. Ungeachtet der geringen Gunst, deren er seit sei- nem Ausscheiden aus der Verwaltung in der ersten Zeit der Restauration bei Hofe genoß, hatte er doch besonders unter den auswärtigen Diplomaten immer ein hohes Ansehen behalten. Er hatte Gelegenheit gesunden, sich von dem Übeln Eindrücke zu überzeugen, welche die Ordonnanzen auf die Botschafter der großen Höfe machten. Graf Pozzo di Borgo rief, als er die Ordonnanzen im Moniteur las, unwillig aus: „Hätte man wenigstens 60,000 Mann zu Paris, um eine solche Verwegenheit zu unterstützen!" Nach der Niederlage der königlichen Truppen, als man unter der Hand erfahren hatte, daß der Herzog von Mortemart beauftragt sey, mit den Häuptern des Aufstandes zu unterhandeln, beschlossen die Botschafter der fremden Mächte, sich gemein- schaftlich darüber zu berathen, ob sie zu Paris bleiben oder Karl X. nach Saint Cloud folgen wollten. Es fand eine Versammlung bei dem Nuntius des Papstes Statt, dem nach den alten Ueberlieferungen der Hofetiquette der Vorrang unter den auswärtigen Gesandten zustand. Hier sprachen zwar der Nuntius, die Botschafter von Neapel und Sardinien und der schwedische Gesandte sich dafür aus, daß man es der königlichen Majestät schuldig sey, zu ihren Gunsten das Gewicht in die Wagschale zu legen, welches die An-

9. Bd. 11 - S. 273

1846 - Braunschweig : Westermann
Der parlement. Sieg des Liberalismus tu Frankreich. 271 fände, obwohl es sich ergeben habe, daß acht dieser Schulen unter der Lei- tung einer gesetzlich nicht erlaubten Genossenschaft — des Jesuitenordens — ständen. Die Minderzahl der Commission hatte aus dieser Thatsache den richtigen Schluß gezogen, daß folglich allerdings in der Einrichtung der klei- nen Seminare Gesetzwidrigkeiten vorhanden wären; und sie wurde durch eine Menge Bittschriften unterstützt, die beinahe aus allen Gegenden Frank- reichs einliefen. Das Ministerium wartete die Erörterungen nicht ab, die in der Kammer angekündigt waren, sondern legte dem Könige zwei Verfügun- gen zur Genehmigung vor, von denen die erste die acht Jesuitcnschulen der Aufsicht der Universität unterwarf und zugleich verordnete, daß Niemand zu der Leitung einer weltlichen oder geistlichen Erziehungsanstalt zugelassen wer- den sollte, der nicht schriftlich bekräftigte, daß er keiner in Frankreich nicht gesetzlich bestehenden geistlichen Genossenschaft angehöre. Die zweite Verfü- gung setzte die Zahl der Schüler, welche in die kleinen Seminare ausgenom- men werden dursten, von 40,000, die bisher diese Anstalten besuchten, auf die Hälfte herab und traf noch verschiedene andere Anordnungen, die zum Zwecke hatten, sie ihrer ursprünglichen Bestimmung, dem gcistltchen Unter- richte-zurückzugeben, dem sie durch den Einfluß der Jesuiten großentheils ent- fremdet worben waren, indem diese sich ihrer als eines Mittels bedienten, allmälig das gesammte Unterrichtswesen an sich zu ziehen. Karl X. zeigte sich leichter zur Nachgiebigkeit bereit, als man bei seinen bekannten religiösen Vorurtheilen erwartet hatte. Die frommen Männer, die seine Gewissensräthe waren, hatten ihm vorgestellt, daß es rathsam sey, das kleinere Uebel dem größeren vorzuziehen. Als das größere Uebel aber betrachteten sie mit gutem Grunde die unermeßliche Aufregung, in die ganz Frankreich gestürzt worden wäre, wenn die Weigerung des Königs, die Verfügungen zu unterzeichnen, das Ministerium genöthigt hätte, seine Entlassung zu nehmen. Dennoch hatte Karl X. einen schweren Kampf zu bestehen, ehe er sich zu einem Schritte entschloß, dessen Unvermeidlichkeit er sich nicht verbergen konnte. Als er im Begriffe war, die Unterzeichnung zu vollziehen, sagte er zu dem Minister der geistlichen Angelegenheiten: „Mein lieber Bischof, ich darf Ihnen nicht ver- hehlen, daß nichts in der Welt mich mehr Ueberwindung kostet, als diese Un- terschrift; ich setze mich durch dieselbe in Widerspruch mit meinen treuesten Dienern, mit denen, die ich liebe, und die ich achte." So mächtig war der Einfluß der Jesuiten in Frankreich bereits geworden,

10. Bd. 11 - S. 389

1846 - Braunschweig : Westermann
387 Die drei Tage. eine Anzahl Gefangener in Freiheit gesetzt, um eine Bekanntmachung zu ver- theilen, die in der Eile gedruckt war, und worin die Bevölkerung von Paris aufgefordert wurde, zur Ruhe zurückzukehren, da die Truppen keine Feind- seligkeiten mehr verüben würden, sobald sie nicht zuerst angegriffen wären. Die beiden Maires des zweiten und des zehnten Bezirkes verfügten sich in ihrer Amtstracht ans den Vcndümcplatz, wo der General Wall ihnen anzeigte, daß er dem Befehle des Marschalls gemäß das Feuern eingestellt habe und nur feine Stellung behaupten, aber keinen Schritt vorwärts thun werde. Die dem Volke wohlbekannten Beamten ließen hierauf ihre Taschentücher wehen und verkündeten laut, daß der Friede hergestellt sey, was denn auch zur Folge hatte, daß die Volkshausen, die von der Ecke der Chaussve d'antin nach der Nue de la Paix herüberfeuerten, davon abließen. Sie gingen hier- auf nach der Dïite de l'echelle, welche, dem einen Flügel der Tuilcrien gerade gegenüber, die Nue St. Honoré mit der Nue de Nivoli verbindet, und wo sich der hitzigste Kampf entsponnen hatte. Sie meldeten dies dem Marschall, der ihnen sagte, daß er zwar den Befehl ertheilt hätte, auch hier mit dem Feuern einzuhalten, daß sich aber das Volk dadurch nicht abhalten lasse, an- griffsweise zu verfahren. Der Herzog von Nagusa gab den beiden Maires einige Ordonnanzofficiere zur Begleitung, mit denen sie, die Taschentücher schwenkend, bis zu dem Théâtre français kamen. Ucbcrall steckten die Soldaten der Garde ihre Taschentücher ans die Bajonette, und es gelang ihnen, all- .mälig sich auch bei dem Volke Gehör zu verschaffen, als plötzlich ein lebhaf- tes Gcwchrscuer in ihrem Rücken erschallte. Dreißig oder vierzig Soldaten, die ein Eckhaus in der Rue St. Honore eingenommen, feuerten auf die an- drängenden Volksmassen aus den Fenstern. Der Kampf wurde im Augen- blicke wieder allgemein, und die beiden wackeren Beamten, die sich selbst in ein benachbartes Haus flüchten mußten, sahen jetzt wohl, daß ihre Sendung verfehlt war. Noch vor der Ankunft der Maires in den Tuilcrien hatten sich zwei Männer von hohem Range hier eingcsunden, die einen Vermittlungsversuch anderer Art machten: der Großreferendar der Pairskammer Marquis von Ssmonville und Graf d'argout. Beide edle Pairs gehörten jener Schatti- rung des französischen Adels an, die der Restauration von dem Kaiscrthume in hohen Ehren und Würden überliefert und von jener zu Gnaden aufgenommen war, da man sich überzeugt hielt, daß man auf ihre Treue vertrauen durfte, 23'
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